Hostsharing war die Blaupause
Die Hostsharing eG hält seit ihrer Gründung Generalversammlungen in digitaler Form ab. Nun hat der Gesetzgeber im Genossenschaftsgesetz endlich die Regelungen dafür präzisiert. Die Erfahrungen der Hostsharing eG dienten dabei einmal mehr als Blaupause.
Als die Hostsharing eG im Jahr 2000 gegründet wurde, war das Genossenschaftswesen eine digitale Wüste. Von Beschlüssen, die auf elektronischem Wege gefasst werden, war im Genossenschaftsgesetz nirgends die Rede.
Da Hostsharing von Anfang an Mitglieder in ganz Deutschland sowie einigen Nachbarländern hatte, sollte eine digitale Generalversammlung allen Genossinnen und Genossen die Gelegenheit geben, bequem über ihre Belange abzustimmen.
Dazu war einige Kreativität erforderlich. Das Genossenschaftsrecht schrieb damals die physische Anwesenheit der Mitglieder bei der Generalversammlung vor. Man umschiffte diese Vorschrift durch eine Vorfestlegung per Abstimmung mittels einer Mailingliste, von der die physische Versammlung laut Satzung nur bei gleichzeitiger Vertagung abweichen durfte.
Dank einer wissenschaftlichen Studie, die die Erfahrungen von Hostsharing mit digitalen Abstimmungen ausgewertet hat, wurde das Genossenschaftsgesetz im Jahr 2006 geändert. Es erlaubte von da an auch die Möglichkeit, »dass Beschlüsse der Mitglieder schriftlich oder in elektronischer Form gefasst werden«.
Der Zentralverband der Konsumgenossenschaften (ZdK), der den digitalen Weg von Hostsharing von Anfang an unterstützte, nahm einen entsprechenden Passus in seine Mustersatzung auf. Hostsharing war die erste Genossenschaft, die diesen Passus übernahm. In §15 der Satzung wird seither eine Online-Generalversammlung in zeitlich gestreckter Form – mit getrennter Diskussions- und Abstimmungsphase beschrieben.
Diese Variante der Online-Generalversammlung wird nun auch im Genossenschaftsgesetz ausdrücklich erwähnt. Hostsharing hat sich mit der Initiative #GenoDigitalJetzt und dem Zentralverband der Konsumgenossenschaften beim Gesetzgeber für eine solche Gesetzesänderung stark gemacht.
Laut dem geänderten § 43b (1) GenG muss die Generalversammlung durchgeführt werden: als Präsenzversammlung an einem Ort, als virtuelle Versammlung, als hybride Versammlung sowie
»als Versammlung im gestreckten Verfahren, aufgespalten in
a) eine Erörterungsphase, die abgehalten wird
aa) als virtuelle Versammlung oder
bb) als hybride Versammlung und
b) eine zeitlich nachgelagerte Abstimmungsphase.«
»Wir begrüßen die Gesetzesänderung« sagt Dr. Martin Weigele, Vorstandsmitglied der Hostsharing eG, »für uns ergeben sich aus der Gesetzesänderung allerdings keine Veränderungen. Unsere Satzung sieht eine Generalversammlung im gestreckten Verfahren schon seit vielen Jahren vor – natürlich im Einklang mit dem alten Genossenschaftsgesetz. Die Präzisierungen, die der Gesetzgeber nun vorgenommen hat, dürften aber weitere Genossenschaften dazu ermutigen, diesen Weg auch zu gehen. Immerhin beherrschen heute auch sehr viel mehr Menschen digitale Werkzeuge, wie sie für eine Online-Generalversammlung notwendig sind, als dies noch vor 20 Jahren der Fall war. Eine digitale Generalversammlung kann die Demokratie innerhalb der Genossenschaft stärken, da die Hürden zur Teilnahme niedrig sind. Bei uns stimmen regelmäßig mehr als 20 % aller Mitglieder auf unserer Online-Generalversammlung ab.«
Leider hat der Gesetzgeber in §43b zahlreiche weitere Änderungen vorgenommen, durch die der Gesetzestext deutlich länger und komplexer geworden ist. »Ob die vielen Detailregelungen dem Genossenschaftswesen bei der Umsetzung der digitalen Demokratie wirklich helfen, muss die Zukunft zeigen«, sagt Martin Weigele. »Und zudem gibt es leider immer noch nicht die Möglichkeit, in Deutschland mit vernünftigem Aufwand auf digitalem Wege einer Genossenschaft beizutreten. Der moderne Personalausweis enthält alle Funktionen einer elektronischen Signaturkarte, sodass er in der Lage wäre die eigenhändige Unterschrift durch eine qualifizierte elektronische Signatur zu ersetzen. Über Gebühren und Steuern ist also eine entsprechende Infrastruktur schon bezahlt, aus nicht nachvollziehbaren Gründen ist aber die Nutzung eines privaten und entsprechend teuren Vertrauensdiensteanbieters zusätzlich erforderlich. Die Folge: Alles geschieht weiterhin in Schriftform, weil Vertrauensdiensteanbieter für Beitretende vollkommen unwirtschaftlich sind. Bis auf Weiteres muss dies in Schriftform geschehen. Im 21. Jahrhundert ein Anachronismus.«