4. Gerechte Digitalisierung, nachhaltige Technikgestaltung und soziale Fragen
In diesem Artikel geht es um die vierte Forderung: »Wir fordern, dass soziale und ökologische Gerechtigkeit sowie langfristiger Frieden grundlegende Ziele des digitalen Wandels sind. Technikgestaltung, Bildung und Arbeit sollten so ausgerichtet werden, dass sie den sozialen Zusammenhalt stärken.«
In den Forderungen unter Punkt 4 spürt man noch die Nachwirkungen der großen Hoffnungen, die das Internet am Ende des letzten Jahrhunderts geweckt hat.
Wir glauben nicht, dass die Digitalisierung ein Hebel ist, mit dem grundlegende sozioökonomische Fehlentwicklungen behoben werden können. Wer soziale und ökologische Gerechtigkeit und langfristigen Frieden schaffen will, muss die Ursachen sozialer und ökologischer Ungerechtigkeit und die Ursache von Kriegen beseitigen.
Empowerment durch genossenschaftliches Wirtschaften
Der in den Absätzen 4.2 und 4.3 geforderte gesellschaftliche Fortschritt, sowie die sozialen Verbesserungen und die Überwindung struktureller Benachteiligungen und Diskriminierungen können durch ein ›Empowerment‹ der Menschen erreicht werden. Die Menschen brauchen Gestaltungsmacht, um ihre Lebensumstände eigenverantwortlich nach Prinzipien zu gestalten, die sie selbst definieren. Gestaltungsmacht kann es jedoch nur geben, wenn die Menschen unmittelbaren Zugriff auf die zur Gestaltung notwendigen Ressourcen haben. In einer Marktwirtschaft wird der Zugang zu Ressourcen über Eigentumsrechte geregelt. Genossenschaftliches Eigentum gibt vielen und nicht nur einzelnen Menschen die Möglichkeit, eine Ressource nach selbst gewählten Prinzipien zu nutzen.
Wir hätten uns gewünscht, dass in den Forderungen der Bits & Bäume neben Forderungen nach staatlicher Regulierung auch Forderungen nach einer Vergesellschaftung von Ressourcen in Genossenschaften Eingang gefunden hätten. Denn im Gegensatz zur Digitalisierung sind Genossenschaften tatsächlich ein wirksamer sozioökonomischer Hebel, um mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen.
Know-how braucht Transparenz
Im Punkt 4.4 wird staatliche Förderung für Digital Literacy gefordert. Wir möchten hier auf ein strukturelles Problem hinweisen. Know-how entwickelt sich durchs Machen. Wenn aber zentrale Aspekte digitalen Know-hows von den großen Tech-Konzernen in der Cloud versteckt werden, verlieren wir langfristig die Fähigkeit zu einem digital selbstbestimmten Leben und Arbeiten. Die an anderer Stelle aufgestellte Forderung nach freier Software, Open Access und dezentralen Betriebsstrukturen unterstützt mithin die Forderung nach besserer digitalen Bildung.
Schutz von Menschen in selbstbestimmten Strukturen
Im Abschnitt 4.5. fordert die Bits & Bäume den konsequenten Schutz von Nutzerinnen und Nutzern im digitalen Bereich. Im Datenschutzrecht soll deshalb der ›Schutz personenbezogener Daten‹ durch den ›Schutz von Menschen bei Datenverarbeitungsprozessen‹ ersetzt werden. Ein solcher Übergang von einer abstrakten rechtlichen Regelung zu einem konkreten, multidimensionalen Schutzauftrag hat zahlreiche Implikationen. Der konkrete Schutz von Menschen bei Datenverarbeitungsprozessen setzt unseres Erachtens voraus, dass die Akteure den Datenverarbeitungsprozess konkret und bis in den Einzelfall hinein gestalten können. Datenverarbeitungsprozesse können Nutzerinnen und Nutzer jedoch nur dann gestalten, wenn sich die Infrastruktur in ihren Händen befindet. Wir denken, dass öffentlich-rechtliche und genossenschaftliche Betriebsmodelle selbstbestimmte Strukturen schaffen, in denen Menschen effektiv geschützt werden können.